Stoffwechsel und Vitamin B12

WIE KOMMT B12 IN DEN KÖRPER?

Empfehlung der Deutschen Gesellschaft für Ernährung für die tägliche Zufuhr:

Laut Nationaler Verzehrstudie liegt die mittlere Zufuhr von Vitamin B12 bei Frauen bei 3,8 μg pro Tag und bei Männern bei 5,3 μg pro Tag. (1) Die empfohlene Aufnahmemenge wird also insbesondere bei Frauen keineswegs immer erreicht. Und zu bedenken ist, wie bei Eisen und anderen Mikronährstoffen:

Aufgenommen im Sinne von „gegessen“ ist noch nicht resorbiert. Also noch nicht vom Magendarmtrakt in den Körper transportiert! Die Aufnahme von B12 ist nämlich relativ kompliziert und physiologisch nur auf drei Wegen möglich: 

 



1. Aufnahme über den „Intrinsic Factor“

Der Intrinsinc-Factor, also der körpereigene Faktor, ist ein Transportprotein, ohne welches B12 im letzten Dünndarm-Abschnitt nicht resorbiert werden kann. Wie funktioniert das?

In der Nahrung ist das Vitamin B 12 (Cobalamin) an Eiweiße gebunden. Es wird durch „Scheren“ freigeschnitten und bindet an das in den Speicheldrüsen gebildete Haptocorrin (B12 + Haptocorrin = Holohaptocorrin), welches einzig dazu dient, das Vitamin B12 vor der Magensäure (Bedenken Sie: Der pH-Wert des Magens ist 1. Das ist Salzsäure!) zu schützen.

 

Im Magen folgt dann die Bindung von Holohaptocorrin (= B12+Haptocorrin) an das so wichtige Transportprotein: Den Intrinsic-Faktor, der von sogenannten Belegzellen (= Parietalzellen) des Magens gebildet wird. So wird das B12 bei seinem weiteren Weg durch den Dünndarm nicht durch weitere „Scheren“ zerschnitten. Diese Scheren sind die hocheffektiven Verdauungsfermente der Bauchspeicheldrüse! Diese so genannten Pankreasenzyme bauen dann das B12- Schutz-Protein Haptocorrin im oberen Dünndarm ab und der Komplex B12+Intrinsic-Faktor wandert weitere 4-7 m in den in den untersten Dünndarmanteil, wo der Komplex kurz vor Übergang in den Dickdarm aufgenommen wird. Weitere „Scheren“ bauen durch Eiweißspaltung den Intrinsinc-Faktor ab und frei gewordenes B12 (Cobalamin) bindet an das nächste Transport-Eiweiß Transcobalamin. Der Transcobalamin-B12-Komplex heißt „Holotranscobalamin“, abgekürzt HoloTC. HoloTC ist übrigens ein wichtiger Marker für die Diagnostik des B12-Mangels. 

 

Nicht ganz geklärt ist bisher, warum neben Holotranscobalamin (B12+Transcobalamin) auch Holohaptocorrin (B12 + Haptocorrin) im Blut über die Pfortader durch die Leber in den Blutkreislauf und damit zu den Zielorganen transportiert wird. Im Blut liegen ca. 20 % als metabolisch aktives HoloTC vor und 80 % als inaktives Holohaptocorrin. 

 

In den Zielzellen erfolgt dann die Umwandlung von frei gewordenem B12 je nach Zellumgebung und benötigter Funktion in Methylcobalamin (Zytosol) oder Adenosylcobalamin (Mitochondrium). Botenstoffe in der Umgebung signalisieren der Zelle, welche Unterform benötigt wird, damit diese dann hergestellt werden kann! 

 

B12 kann relativ gut gespeichert werden. Etwa 2 mg werden in der Leber gespeichert und weitere 2 mg werden außerhalb der Leber für schlechte Zeiten aufbewahrt. Ohne weitere Zufuhr würde der Vorrat bei üblichem Bedarf und der bekannten biologischen Halbwertszeit von B12 ca. 3 Jahre reichen bevor ein B12-Mangel auftritt. Symptome können allerdings auch schon bei unvollständiger Entleerung der Speicher auftreten (siehe B12-Mangel-Stadien) (2).

 

Interessant ist nun, dass der Intrinsic-Faktor ein B12-Aufnahmelimit von 0,5 – 2,2 µg pro Mahlzeit bedingt (3). Sie wissen ja: Ist nicht mehr Intrinsic-Faktor da, kann auch nicht mehr B12 aufgenommen werden.  Und im Schnitt werden Absorptionsraten von ca. 60 % des B12-Gehaltes einer Mahlzeit erreicht. 

 

Gibt es noch andere Wege, B12 aufzunehmen? Ja die gibt es. Und das ist ein glücklicher Umstand, denn bei einer Erkrankung, bei der sich die Magenschleimhaut zurückentwickelt (atrophe Gastritis) werden die Belegzellen zerstört, die den Intrinsic-Faktor bilden. Diese Menschen können auf dem oben beschriebenen, physiologischen Weg, kein B12 aufnehmen, was gravierende gesundheitliche Folgen haben würde.  

 



2. Aufnahme per Diffusion

Ein zweiter Weg der B12-Aufnahme ist die direkte Aufnahme, die über passiven Stofftransport durch die Zellwände – die Diffusion – stattfindet.

Dieser Weg scheint auf den ersten Blick wenig effektiv im Vergleich zum ersten Weg, da nur ca. 1,2 % gegenüber den 60 % beim Intrinsic-Faktor-vermittelten Weg pro Dosis aufgenommen werden. Ein Weg also, der für die Aufnahme normaler B12-Dosen über die Nahrung nahezu irrelevant ist, nicht jedoch für die Substitution! Denn aufgrund der Ungefährlichkeit von B12 kann man sehr große Mengen verabreichen und die Aufnahme per Diffusion erfolgt fast unabhängig von der absoluten zugeführten Menge. Die Empfehlung bei B12-Mangel lautet also: 500-1000 µg Cobalamin am Tag (3) was bei Resorption von nur 1 % einer Menge von 5-10 µg entspricht. Dieser Wert liegt bereits über der Tagesaufnahmeempfehlung von 4–5,5 µg der DGE für gesunde Erwachsene. Studien zeigen, dass nach vollständiger Magenentfernung und somit völlig fehlendem Intrinsic-Faktor die orale Gabe genauso effektiv, wie dreimonatige Injektionen sind (4). Auch die B12-Speicher können mittels oraler Gabe suffizient aufgefüllt werden (5). In Schweden (siehe Studien) wird dies bereits seit ca. 50 Jahren praktiziert. 

 

Die ärztliche Praxis lehrt allerdings, dass es durchaus auch unklare Fälle verminderter Resorption (oder eines erhöhten Bedarfs) gibt, die nach 500 µg Gaben pro Tag auch nach Monaten keinen B12-Spiegelanstieg zeigen. So sind Infusionen/Injektionen nicht immer zu vermeiden. 

 

 


Dr. Matthias Marquardt, Eisenzentrum Hannover, Vitalstoffe wie Eisen, Vitamin B12 und Omega 3 tragen zum Wohlbefinden bei

3. Aufnahme per Infusion

Aufnahme per Infusion ist der dritte und letzte Weg.

Hier verabreicht man also 1000 µg Hydroxycobalamin per Spritze in den Muskel (i.m.) oder in die Vene (i.v.). Diese Methode findet außer bei Resorptionsdefiziten auch bei Patienten mit ausgeprägtem Mangel und schnellem Wunsch nach Besserung der Beschwerden Anwendung. Auch das ist Medizin. 

 



QUELLEN:

(1) Brombach C, Wagner U, Eisinger-Watzl M, Heyer A. Die nationale Verzehrsstudie II. Ernährungs-Umschau. 2006 ;53(1):4-9. 

(2) Heinrich PC, Müller, M, Graeve, L. Löffler/Petrides Biochemie und Pathobiochemie. Springer-Verlag; 2014 

(3) Berlin H, Berlin R, Brante G. Oral treatment of pernicious anemia with high doses of vitamin B12 without intrinsic factor. Acta Med.Scand. 1968 ;184(1‐6):247-58. 

(4) Kim H, Hyung WJ, Song KJ, Choi SH, Kim C, Noh SH. Oral vitamin B12 replacement: An effective treatment for vitamin B12 deficiency after total gastrectomy in gastric cancer patients. Annals of surgical oncology. 2011 ;18(13):3711-7. 

(5) Berlin R, Berlin H, Brante G, Pilbrant Å. Vitamin B12 body stores during oral and parenteral treatment of pernicious anaemia. Acta Med.Scand. 1978 ;204(1‐6):81-4.