DIE SACHE MIT DEN BAKTERIEN.
WER PRODUZIERT DAS ZEUG WIRKLICH?
Archaeen (ugs. auch Archaebakterien oder Urbakterien genannt) zählen wie Bakterien zu den Prokaryoten, d.h. sie sind Lebewesen ohne Zellkern. Zu den wichtigsten Bildnern gehören sowohl Milchsäurebakterien wie Lactobacillus lechmanii als auch Propionibakterien wie Propionibacterium freudenreichii. (1) Interessanterweise ist dies das Bakterium, welches in der Herstellung verschiedenster Käsesorten, vor allem Schweizer Käse (z.B. Emmentaler), von großer Bedeutung ist. Durch die Gasbildung (Kohlendioxid) bringt es nicht nur den charakteristischen Geschmack, sondern sogar wortwörtlich die Löcher in den Käse. (2)
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Ein weit verbreiteter Irrtum ist, dass Vitamin B12 von Menschen und Tieren selbst gebildet wird und dass eine Aufnahme über die Nahrung daher entbehrlich sei. Das stimmt so nicht.
Eine geringe B12-Produktion durch Bakterien findet im menschlichen Dickdarm statt, das entstandene B12 kann dort vom Menschen aber nicht mehr aufgenommen werden. Es fehlt die Kopplung an den Intrinsic-Faktor aus dem Magen (link), denn die Aufnahme von B12 passiert im unteren Dünndarm, als vor dem Dickdarm. Daher ist das produzierte B12 für die Eigenverwertung unbrauchbar. Deshalb ist der Mensch auf eine ausreichende Zufuhr durch tierischen B12 Quellen angewiesen (Fleisch, Fisch, Leber, Milch, Eier) (3). Mit Ausnahme weniger Algenarten (Chlorella, Nori), die Vitamin B12 wiederum aus Bakterien aufnehmen, kommt Vitamin B12 praktisch nicht in Pflanzen vor. Neueste Studien zeigen, dass die Nori-Alge möglicherweise die beste natürliche B12-Quelle für Veganer sein könnte. Mit 77,6 µg pro 100 g wurde sogar ein höherer B12-Gehalt als der einer Rinderleber nachgewiesen. Der Vitamin B12-Gehalt in Algen variiert allerdings stark, die B12-Gehalte müssen nicht ausgewiesen werden und teilweise sind unwirksame Pseudo-B12-Verbindungen enthalten. Eine verlässliche B12-Quelle ist die Alge somit nicht. Außerdem ist sie im Vergleich zur sicheren, kontrollierten Substitution (Tabletten, Kapseln, Tropfen, Infusionen) zumeist leider auch noch teurer.
Bezüglich der B12-Produktion und vor allem der Verwertung haben Wiederkäuer, besonders Kühe und Rinder eine Sonderstellung. Im Gegensatz zum Menschen können sie das B12, das in ihrem Gastrointestinaltrakt durch Bakterien gebildet wird, zum Teil selbst verwerten. Das liegt daran, dass die B12-Produktion nicht wie beim Menschen im Dickdarm – also am Ende der Magendarmpassage – sondern bereits zu Beginn im Pansen erfolgt. Das dort gebildete B12 kann also zum Teil im Verlauf der Passage, wie beim Menschen, im Dünndarm aufgenommen werden. Das Futter der Wiederkäuer wird daher mit ausreichend Kobalt versetzt, einem Baustein der zur B12-Bildung benötigt wird. Ist zu wenig Kobalt im Futter, wird auch weniger B12 gebildet.
Zur ersten Frage: Man geht heute davon aus, dass Menschen urzeitlich durchaus diese Bakterien gegessen haben, die sich an diversen Wildkräutern befinden. Isst man die Wildkräuter, isst man also auch B12 und kann es über den Intrinsic-Faktor aufnehmen. Diese These, die in Veganerkreisen teils vehement vertreten wird, macht Sinn. Eine Ernährung mit Wildkräutern, die dann aber wirklich wild wachsen und ungewaschen konsumiert werden müssten, weil ja sonst die Bakterien abgewaschen würden, ist aber heutzutage in Hamburg und Köln nur schwer umsetzbar, und bei aller Liebe zur vegetarischen und veganen Ernährung (ich bin selbst seit 25 Jahren Vegetarier), möchte ich internistisch doch unbedingt von der Aufnahme ungewaschener Wildkräuter warnen. Einen Bandwurm, vor allem den höchst gefährlichen Fuchsbandwurm, dürfen Sie sich darüber bitte nicht einfangen.
Zur zweiten Frage: Bezüglich der B12-Aufnahme von Tieren sieht die Lage aber ebenfalls schwierig aus. Denn leider Gottes steht das von Ihnen möglicherweise gegessene Schwein nicht mehr im Wald und speist Wildkräuter. Es sieht unter Umständen nie das Tageslicht und erhält Silage und Kraftfutter. Nix Wildkräuter! Woher dann also das B12 in ausreichenden Mengen aufnehmen? Aus der Retorte! Die meisten Vitamine werden bereits seit Jahren im Labor synthetisch hergestellt. Dort wird unter anderem B12 mithilfe gentechnisch veränderter Bakterien hergestellt und den hergestellten Nahrungsmitteln oder eben dem Tierfutter (daher kriegt es das Schwein!) zugesetzt.
Die Nahrung wird also mit ausreichend Kobalt ausgestattet. Reicht das nicht aus, werden die restlichen Mengen an Vitamin B12 ergänzt. Besonders bei den nicht wiederkäuenden, also monogastrischen Tieren ist das vollkommen unabdinglich, um einen akzeptablen B12-Gehalt zu erreichen. (4)
Bei der Herstellung des Vitamins B12 konnte die aufwändige chemische Synthese des Cobalamins durch einen einstufigen Fermentationsprozess mit Hilfe des Mikroorganismus Pseudomonas denitrifacans ersetzt werden (5). Produkte mit „Bio-Siegel“ oder „Ohne-Gentechnik-Siegel“ dürfen selbst keine synthetisch hergestellten Vitamine enthalten. Wird allerdings nur das Futter verändert, so ist das im Endprodukt, also etwa im Rinderfleisch, nicht kennzeichnungspflichtig.
Das Ziel eines Bio-Hofes ist es, die dort lebenden Tiere möglichst ausschließlich von der eigenen Betriebsfläche ernähren zu können. Daher ist die Zahl der Tiere in der Regel durch die Fläche begrenzt. Das Futter der Tiere wird zu großen Teilen selbst angebaut: Bio-Anbauverbände geben für Rinder einen Mindestanteil von 60% vor. Hierzu werden oft stickstoffliefernde (Stickstoff = zentraler Nährstoff für das Pflanzenwachstum) Hülsenfrüchte angebaut.
Für Biorinder ist im Gegensatz zum Bioschwein bereits 100 % Bio-Futter garantiert. Bei Schweinen sind aktuell noch 5 % Beimischung konventioneller Futter erlaubt, dieser Anteil soll aber weiter reduziert werden. Kraftfutter erhalten die Bio-Rinder natürlich trotzdem, zwar in deutlich geringerem Maße als konventionell gehaltene Tiere, aber ganz darauf verzichten kann man nicht.
Das Futter eines jeden Tieres ist heutzutage individualisiert. So gibt es für jedes Futter eine sogenannte Vormischung, die einen tierartenspezifischen Nährstoffgehalt aufweist. Bei Rindern enthält es beispielsweise unter anderem genügend Kobalt, damit ausreichend B12 im Pansen gebildet werden kann. Ein monogastrisches Schwein etwa kann, wie auch der Mensch, mit Kobalt allein wenig anfangen. Es ist normalerweise ebenfalls omnivor und ernährt sich natürlicherweise auch von Fleisch. Tierische Produkte dürfen mit Ausnahme von Milch, Eiern und Fischmehl nicht an Tiere verfüttert werden, besonders kein Fleisch. Wie wir wissen, eignen sich Pflanzen nicht zur Deckung des B12-Bedarfes. Daher sind Schweine auf eine B12-Beimischung angewiesen.
Grundsätzlich ist das Zusetzen von Mineral- und Nährstoffen für die Sicherstellung der Tiergesundheit, ähnlich wie meist auch beim Menschen, notwendig.
Grundsätzlich dürfen besonders Biotiere keine gentechnisch veränderten Nahrungsbestandteile erhalten. Das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft schreibt auf ihrer Website allerdings:
„Nicht über alle Anwendungen der Gentechnik wird auf dem Etikett informiert. Nicht kennzeichnungspflichtig sind:
Lebensmittel und Zutaten, die mit Hilfe von gentechnisch veränderten Organismen erzeugt werden. Beispiele: Fleisch, Milch, Eier von Tieren, die Futtermittel aus gentechnisch veränderten Pflanzen erhalten haben. Wenn sie aus gentechnisch veränderten Pflanzen gewonnen wurden, sind die Futtermittel selbst zu kennzeichnen, nicht jedoch die mit diesen Futtermitteln erzeugten Lebensmittel. Die an dieser Stelle als lückenhaft empfundene Regelung kann auf freiwilliger Basis durch die "ohne-Gentechnik"-Kennzeichnung geschlossen werden.
Zusatzstoffe, die mit Hilfe von gentechnisch veränderten Mikroorganismen hergestellt werden. Beispiele: Farbstoff Riboflavin (Vitamin B2), Geschmacksverstärker Glutamat. In der Regel werden die Zusatzstoffe von den Mikroorganismen ausgeschieden und anschließend gereinigt. Kennzeichnungspflichtig wären solche Zusatzstoffe, wenn die verwendeten gentechnisch veränderten Mikroorganismen noch ganz oder teilweise im fertigen Produkt vorhanden wären.“ (6)
Die Gefahr, dass ein Bio-Rind große Mengen gentechnisch verändertes Futter bekommt, besteht bei sehr strengen Vorgaben bezüglich des Bio-Futters wohl nicht.
Eine Lücke dürfte bei den Nährstoffzusätzen bestehen: Nach den Angaben des BMEL sind u.a. gentechnisch erzeugte Vitamine nicht kennzeichnungspflichtig, sofern ihr gentechnisch veränderter Produzent, das B12-produzierende Bakterium selbst im Futter nicht mehr nachzuweisen ist.
Wir können also davon ausgehen, dass zumindest einige unserer Biorinder neben ausreichend Kobalt kleine Mengen künstlich hergestelltes B12 von gentechnisch veränderten Bakterien in ihr Futter bekommen.
In der Vergangenheit und ggf. auch heute noch, werden auf einigen Etiketten dieser Produkte teils sehr hohe Vitamin B12-Gehalte ausgewiesen. Das liegt daran, dass ältere Testverfahren (z.B. USP assay) zwar vorgaben, den B12-Gehalt zu messen, in Wahrheit jedoch den sogenannten Corrinoid-Gehalt ermittelt haben. Unter Corrinoiden werden chemische Verbindungen zusammengefasst, die als Grundgerüst ein sogenanntes Corrin besitzen. Dazu gehört jedoch nicht nur Cobalamin, sondern auch sogenannte B12-Analoga. Bestimmt man mit moderneren Methoden den B12-Gehalt verschiedener Algen (Spirulina) oder aber Sojaprodukte, so stellt man fest, dass tatsächlich keine nennenswerten Mengen B12, sondern allenfalls Spuren enthalten sind, die sich meist nicht zur adäquaten Deckung des Bedarfes eignen.
Das könnte einem jetzt egal sein und man denkt lieber zu viel davon, als zu wenig. Doch weit gefehlt: Die Einnahme von B12 Analoga kann den B12-Status sogar verschlechtern! Das liegt daran, dass die Vitamin B12 Analoga, also das falsche B12 dem echten B12 so ähnlich ist, dass sie direkt um die Bindungsstellen im Stoffwechsel konkurrieren. So werden die Andockstellen mit wirkungslosen B12-Analoga belegt und zudem noch weniger echtes B12 aufgenommen. (1)
Auf der offiziellen Website der Deutschen Gesellschaft für Ernährung heißt es dazu zu Recht:
„Neben den vitaminwirksamen Verbindungen gibt es sogenannte Vitamin-B12-Analoga. Sie sind z. B. in einigen pflanzlichen Lebensmitteln wie Algen oder Sauerkraut enthalten. Sie tragen nicht zu
einer ausreichenden Versorgung mit Vitamin B12 bei und können durch die Blockade der Transportsysteme im Körper die Versorgung zusätzlich verschlechtern.“ (7)
QUELLEN:
(1) Comparative Bioavailability and Utilization of Particular Forms of B12 Supplements With Potential to Mitigate B12-related Genetic Polymorphisms[Internet].InnoVision Media; 2017
(2) Fabien J. Cousin, Denis D G Mater, Benoît Foligné, Gwénaël Jan. Dairy propionibacteria as human probiotics: A review of recent evidence. Dairy Science & Technology, EDP sciences/Springer, 2011, 91 (1), pp.1-26. 10.1051/dst/2010032 . hal-00868601
(3) Herold G. Innere Medizin 2014: eine vorlesungsorientierte Darstellung; unter Berücksichtigung des Gegenstandskataloges für die ärztliche Prüfung; mit ICD 10-Schlüssel im Text und Stichwortverzeichnis. Eigenverl.; 2014
(4) Deutsche Tiernahrung Cremer GmbH & Co. KG. Nährstofflexikon [Internet]. Available from: https://www.deutsche-tiernahrung.de/open/brand_id/1/action/glossary%3Blist/menu/8/letter/V/M/Cn2w5A#glossar_V.
(5) Biotechnologie W. Chancen für neue produkte und umweltschonende prozesse. 2007
(6) Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft. Fragen und Antworten: Gentechnik in Lebensmitteln [Internet]. Available from: https://www.bmel.de/SharedDocs/FAQs/DE/faq-gentechnikLebensmitteln/FAQ-gentechnikLebensmitteln_List.html.
(7) https://www.dge.de/wissenschaft/weitere-publikationen/faqs/vitaminb12/