BEI EISENTABLETTEN
Trotz vieler Möglichkeiten gibt es eine begrenzte Auswahl bewährter Wirkstoffvertreter, die in apothekenpflichtigen Präparaten und – in geringerer Dosierung – in Nahrungsergänzungsmitteln zu finden sind. Vom Eisen (III) maltol (Feraccru®) und der Eisen (III) Polymaltose (Ferrum Hausmann® Tropfen) abgesehen sind dies ausnahmslos zweiwertige Eisenverbindungen. Die rezeptpflichtigen Eisenverbindungen zur Infusion sind stets dreiwertige Eisenverbindungen. Gesetzlich zugelassene Eisenverbindungen zur Verarbeitung in Nahrungsergänzungsmitteln sind auch Eisen (II) aspartat, Eisen (II) taurat und weitere. Wobei diese in den gängigen Nahrungsergänzungsmittelpräparaten am Markt kaum anzutreffen sind.
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Stand: Mai 2020
Um die so genannte Wertigkeit des Eisens, die ohne chemische Grundkenntnisse nicht ganz einfach zu verstehen ist, gibt es zahlreiche Diskussionen. Grundsätzlich sind Verbindungen mit zweiwertigem Eisen (Fe2+, englisch: „ferrous“) nach Lösung im Dünndarm besser zu resorbieren. Verbindungen mit dreiwertigem Eisen (Fe3+, englisch: „ferric“) sind nach Ihrer Lösung schlechter resorbierbar, weil Sie erst in zweiwertiges Eisen reduziert werden müssen, wofür das vielgepriesene Vitamin C in manchen Eisentabletten sehr nützlich ist.
Die Ladung eines Element, in unserem Falle Eisen, sagt aus, wie viele Elektronen aufgenommen werden können bzw. abgegeben werden können. Auf der ersten Elektronenschale befinden sich 2 Elektronen, auf der zweiten 4 und auf der dritten 8 Elektronen. Ein Atom strebt immer eine volle Elektronenschale an. Beim Eisen ist dies die dritte Elektronenschale mit Platz für 8 Elektronen. Dreiwertigem Eisen fehlen 3 Elektronen, es ist deshalb 3fach positiv geladen, was mit 3+ abgekürzt wird. Im Namen der Verbindung schreibt man auch Eisen (III) sucrose. Zweiwertigem Eisen fehlen nur 2 Elektronen. Es ist zweifach positiv geladen, was mit 2+ abgekürzt wird. Im Namen der Verbindung schreibt man beispielsweise Eisen (II) gluconat.
Eisen kann also je nach Ladungszustand Elektronen aufnehmen oder abgeben. Eisen geht mit anderen Elementen Verbindungen ein, indem es eine volle Elektronenschale (8 Elektronen auf der dritten Schale) erhält, was einem Edelgaszustand entspricht.
Eisen kommt im Körper vor allem im Blut vor. Der rote Blutfarbstoff heißt Hämoglobin. Hämoglobin besteht aus 4 Porphyrinringen, die jeweils ein Fe2+ Atom binden. Nur die zweiwertigen Eisenatome im Hämoglobin können Sauerstoff im Blut binden. Fe3+ kann kein Sauerstoff binden, Hämoglobin mit Fe3+ heißt Methämoglobin.
Abgesehen von Hämoglobin bindet Fe2+ auch noch an Myoblobin (Sauerstoffspeicher im Muskel) und an andere eisenhaltige Enzyme wie z.B Cytochrome, die in der Atmungskette wichtige Prozesse der Energiebereitsstellung unterstützen. In der Atmungskette ist Eisen ein Cofaktor für die Enzyme. Wenn Eisen nicht an Häm gebunden ist, wird es als Fe3+ an das Transportprotein Transferrin gebunden oder liegt als Fe3+ im Speichereisen Ferritin vor.
Aus dem oben gesagten ergibt sich, warum die Eisenaufnahme stark von der Wertigkeit des Eisens abhängt und warum dreiwertige Eisenverbindungen aus pflanzlicher Kost sehr viel schwerer aufzunehmen sind als Fe2+-Verbindungen aus tierischen Lebensmitteln.
Die Frage, warum es unter Annahme der oben zugrunde gelegten Fakten überhaupt dreiwertige Eisenverbindungen für die Aufnahme über Tabletten oder Tropfen gibt, ist mehr als berechtigt. Es gibt zwei Präparate mit dreiwertigem Eisen auf dem Arzneimittelmarkt, die wir uns im folgenden genauer ansehen möchten:
Ferrum Hausmann® mit Eisen (III) Polymaltose als Tropfen
Dieses Präparat wird mitunter aufgrund von geringeren Nebenwirkungen im Magen-Darm-Trakt eingesetzt. Der Grund für das geringe Aufkommen von unerwünschten Arzneimittelwirkungen liegt in der Komplexstabilität. Es wird weniger Eisen gelöst, was aber zwingend erforderlich wäre, um das enthaltene Fe3+ in das viel besser zu resorbierende Fe2+ zu reduzieren. In aufwendigen Untersuchungen mit radioaktiv markiertem Eisen im Eisen (III) Polymaltose-Komplex wurde gezeigt, dass Fe3+ aus diesen Zuckerkomplexen auch bei Nüchterngabe fast nicht absorbiert wird. (1) Andere Quellen belegen eines verbesserte Wirksamkeit bei geringeren Nebenwirkungen gegenüber Eisen (II) sulfat. (2) Festzuhalten ist allerdings, dass sich das Präparat bisher kaum durchsetzen konnte.
Feraccru® mit Eisen (III) maltol als Hartkapseln
Der Hersteller beschreibt, dass Feraccru Eisen in einem stabilen Eisen(III)- Komplex mit einem Trimaltol-Liganden bereitstellt. Wir wirkt sich dieser Komplex auf die Wirkungsweise aus? Der Hersteller schreibt dazu: „Der Komplex dient der kontrollierten Bereitstellung von verwertbarem Eisen zur Aufnahme über die Darmwand und zur Bindung an die Transport- und Speicherproteine im Körper (Transferrin bzw. Ferritin).“ Das klingt fast, als würde das Fe3+ aus dem Komplex direkt an Transferrin und Ferritin übergehen. Aber wie soll das gehen? Fe3+ wird über den wenig leistungsfähigen „Mobilferrin-Integrin-Paraferrin-Weg“ (s.o.) transportiert. Kryptisch schreibt der Hersteller weiter: „Bei der Aufnahme aus dem Gastrointestinaltrakt findet die Dissoziation des Komplexes statt“. Dies würde ja bedeuten, dass das Eisen doch in gelöster Form vorliegt und wohl zu Fe2+ reduziert wird, bevor es aufgenommen wird. Dies verwundert, da der Hersteller argumentiert, dass durch die Eisenabgabe durch den Eisen (III)-Maltol-Komplex an die Darmzellen kein gelöstes Eisen im Dünndarm vor, was unerwünschte Arzneimittelwirkungen reduzieren hilft. Außerdem ist eine niedrigere Wirkstoffdosis erforderlich, was das Nebenwirkungsausmaß weiter reduziert.
Das wirft Fragen auf. www.arzneimitteltherapie.de lässt sich zur Wirkungsweise von Eisen (III) Maltol wesentlich nachvollziehbarer ein: „Nachdem der Wirkstoff nach oraler Aufnahme die Dünndarmschleimhaut erreicht hat, erfolgt im Bürstensaum des Darmepithels durch die membranständige Ferrireduktase eine Dissoziation des Komplexes und eine Reduktion von Fe3+ zu Fe2+. Während die Maltolmoleküle im Darmlumen verbleiben, gelangt das zweiwertige Eisenion durch aktiven Transport in die Enterozyten und von dort über den Blutkreislauf in Leber und Knochenmark, wo es unter anderem für die Bildung von Erythrozyten zur Verfügung steht.“ Das klingt doch schon wesentlich vertrauter und zeigt, dass Eisenmaltol wohl keine Hexerei ist, sondern in erster Linie ein extrem teures Eisenpräparat, was seine gute Verträglichkeit vor allem durch die Dosisreduktion pro Tablette erreicht.
Eisen (III) Maltol ist bisher vor allem an Patienten mit chronisch entzündlichen Darmerkrankungen untersucht worden.
QUELLEN
(1) Nielsen P, Gabbe EE, Fischer R, Heinrich HC. Bioavailability of iron from oral ferric polymaltose in humans. Arzneim Forsch 1994;44:743-78.; Kaltwasser JP, Werner E, Niechzial M. Bioavailability and therapeutic efficacy of bivalent and trivalent iron preparations. Arzneimittel-Forsch 1987;37(1A):122-9
(2) R. Ortiz, J. E. Toblli, J. D. Romero, B. Monterrosa, C. Frer, E. Macagno, C. Breymann: Efficacy and safety of oral iron(III) polymaltose complex versus ferrous sulfate in pregnant women with iron-deficiency anemia: a multicenter, randomized, controlled study. In: J. Matern. Fetal. Neonatal. Med. Band 24, Nummer 11, November 2011, S. 1347–1352